Die im Februar 2023 vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) vorgestellten Eckpunkte eines Gesetzesentwurfs für an Kinder gerichtete Lebensmittelwerbung (1) beabsichtigen ein Werbeverbot für sämtliche Süßwaren und viele weitere Lebensmittel in der Zeit von 6 bis 23 Uhr, auch im Radio. Sollte der Gesetzentwurf umgesetzt werden, wird er das Geschäftsmodell von Lebensmittelindustrie und Werbebranche massiv beeinträchtigen.
„Besonders kritikwürdig […] ist, dass das Ministerium nicht nur Reality-Checks und Folgeabschätzungen ausgeklammert, sondern seine Pläne schlichtweg irreführend beschrieben hat“
,bemängelt der Zentralverband der deutschen Werbewirtschaft ZAW e.V. zu diesem Vorstoß (Pressemitteilung (2)).
Aus Sicht des VAUNET – Verband Privater Medien e.V. sind
„die seitens des Bundesernährungsministers vorgelegten Eckpunkte weder erforderlich, konsistent noch evidenzbasiert. Wenn seitens der Unterstützer solcher Planungen etwa geäußert werde, dass Werbeverbote eine der kostengünstigsten Maßnahmen seien, um Übergewicht zu bekämpfen, verdeutliche dies umso mehr die Schieflage der Diskussion“.
Pressemitteilung (3)
Heike Raab, Staatssekretärin in der Staatskanzlei Rheinland-Pfalz und Bevollmächtigte des Landes Rheinland-Pfalz beim Bund und für Europa und Medien, verweist in einem Schreiben an die zuständige Staatssekretärin im BMEL, Sylvia Bender, auf die Zuständigkeit der Länder in Fragen der Medienregulierung. Außerdem betont sie, dass mit dem Jugendmedienschutz-Staatsvertrag auf Bundesebene sowie der AVMD-Richtlinie auf europäischer Ebene bereits Regelungen für Werbung in Rundfunk und Presse in Kraft sind. Sie bedauert zudem, dass vor der Veröffentlichung des Gesetzesentwurfs keine Vorkonsultation der Rundfunkkommission der Länder stattfand.
Dieser Kritik schließt sich der VMPR an.
Zur Finanzierung des privaten Rundfunks sind – anders als beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk, der sich vor allem aus dem Rundfunkbeitrag finanziert – Werbeeinnahmen unverzichtbar. Vor diesem Hintergrund bewirken Werbeverbote stets eine Einschränkung der Rundfunkfreiheit.
Die privaten Radioveranstalter in Mitteldeutschland tragen wesentlich zur freien Meinungsbildung bei. Um ihre Programmangebote finanzieren zu können, sind sie auf Werbeeinnahmen zwingend angewiesen. Deswegen erscheinen Werbebeschränkungen, deren Eignung zur Erreichung des mit ihnen beabsichtigten Zwecks nicht hinreichend belegt ist, rechtlich mindestens bedenklich. Überdies informieren die mitteldeutschen Radioveranstalter in ihren Angeboten auf vielfältige Weise auch über gesunde Ernährung. Sie nehmen den Kinder- und Jugendmedienschutz im Rahmen der vorhandenen gesetzlichen und selbstregulierenden Vorgaben ernst und verantwortungsvoll wahr.
Grundsätzlich begrüßt der VMPR das Anliegen des BMEL, krankhaftem Übergewicht von Kindern entgegenzuwirken. Dieses Ziel wird durch ein derart weitgehendes Werbeverbot jedoch verfehlt, auch auf Kosten der mitteldeutschen Radioveranstalter. Bisher gibt es keine Studien, welche die Wirksamkeit von Werbebeschränkungen zur Reduzierung von Übergewichtigkeit belegen. Es ist der falsche Weg, den das BMEL hier einschlägt. Notwendig ist vielmehr ein zielgerichteter Dialog zwischen Industrie, Medienwirtschaft und Politik, um Wege zu finden, die Gesundheit Kinder und Jugendlicher zu fördern, und zwar ohne ideologische Symbolik.
Der Gesetzentwurf sieht vor, dass aufgrund des Werbeumfeldes oder sonstigen Kontextes an Kinder gerichtete Werbung für Lebensmittel mit hohem Zucker-, Fett- oder Salzgehalt zwischen 6 und 23 Uhr im Hörfunk nicht mehr verbreitet werden darf, wenn damit bewusst in Kauf genommen wird, dass sie regelmäßig insbesondere auch von Kindern wahrgenommen wird oder wahrgenommen werden kann. Sponsoring für solche Lebensmittel wird im radio generell Unzulässigkeit. Als Kinder gelten dabei alle unter 14jährigen BMEL (4).
Eine ausführliche Darstellung der geplanten gesetzlichen Regelung gibt es hier.
Quellen:
- BMEL (2023), https://www.bmel.de/SharedDocs/Videos/DE/Ernaehrung/230227-pk-kinderschutz-werbung.html
- ZAW (2023), https://zaw.de/keine-evidenzbasierte-politik-bmel-kuendigt-weitgehendes-totalwerbeverbot-fuer-lebensmittel-an/
- VAUNET (2023), https://vau.net/pressemeldungen/weitgehendes-verbot-fur-lebensmittelwerbung-verhindert-wettbewerb-und-mindert-medienvielfalt/
- BMEL (2023), https://www.bmel.de/DE/themen/ernaehrung/gesunde-ernaehrung/kita-und-schule/lebensmittelwerbung-kinder.html
- Hartmannsberger, Dr. Roland (2023), https://www.linkedin.com/pulse/heftiges-werbeverbot-f%C3%BCr-die-lebensmittelindustrie